Die Grundlagen von Freddie Greens Begleitstil

von Tim Berens
(e-mail )

ăber Freddie Greens Begleitstil ist schon viel geschrieben worden. Als Gitarrist des Cincinatti Pops Orchestra habe ich oft Gelegenheit, in diesem Stil zu spielen. FŢr eine Reihe bekannter KŢnstler spielte ich in Freddie Greens Gitarrenstil, und ich habe bei Aufnahmen alter Swingarrangements von Nelson Riddle mitgewirkt. Bei Proben, Konzerten und Plattenaufnahmen habe ich viel Ţber dieses Thema nachgedacht, und hier sind meine Ergebnisse:

Worin besteht Freddie Greens Begleitung (comping)?
Freddie Green war einer unter tausenden von Gitarristen, die diesen Stil pflegten. Er war sicher ein Meister seines Faches, wenn nicht gar "der" Meister. Aber er war weder der erste noch der einzige Gitarrist dieser Stilrichtung.

Der Begriff "Freddie Green - Begleitstil" bezieht sich auf die Spielweise im Swing, die hauptsâchlich die Gitarrenbegleitung in Big Bands betrifft. Diesen Begriff findet man oft in Notenblâttern zu Auftritten, bei denen man Noten lesen muss, etwa bei Showbegleitungen. Das Etikett "Freddie Green - Begleitstil" meint nicht speziell die Person Freddie Green, sondern allgemeiner das Spiel der Rhythmusgitarre mit vier Anschlâgen pro Takt. Wenn ich also hier den Begriff "Freddie Green - Stil" benutze, meine ich nicht ausschlieĹlich die Art, in der Freddie Green spielte.

Das Schŕne am Stil Freddie Greens ist, dass die Grundlagen so einfach zu erklâren sind: Greife einen Akkord mit der linken Hand, und schlage auf dem Beat der Melodie die Saiten mit der rechten Hand an. Das Schlimme an dieser Spielweise ist, dass wenn es schlecht gemacht wird, allein der Gitarrist die gesamte Rhythmusgruppe durcheinander bringt.

Timing
Rhythmusbegleitung hat mit exaktem Timing zu tun, sie betrifft nicht das Voicing, also die Akkordstrukturen, die in diesem Zusammenhang untergeordnete Bedeutung haben. Voicings scheinen aber die Diskussion um Freddie Greens Begleitstil zu beherrschen. Wer nur die Grundlagen der Swing - Rhythmusgitarre studiert, braucht sich um das Thema der Voicings kaum zu kŢmmern. Beim Erlernen dieses Stils befŢrworte ich eine Konzentration aufs Timing.

'Chunk-chunk-chunk-chunk'
Freddie Greens Begleitstil wird oft mit diesen lautmalerischen Worten umschrieben. Ich glaube nicht, dass das besonders hilfreich sein kann. Wenn man wirklich so etwas wie 'chunk-chunk-chunk-chunk' spielt, wird man nur die Rhythmusgruppe verunsichern und das StŢck zerstŕren.

Ich glaube, die Worte 'choo-chit-choo-chit' beschreiben den Sound der Rhythmusgitarre passender, wobei 'choo' auf dem ersten und dritten Taktschlag liegt und 'chit' auf den Schlâgen zwei und vier. Es gibt Abwandlungen, je nachdem wie schnell oder langsam das StŢck gespielt wird oder wie intensiv das Schlagzeug spielt, aber dies sind die Grundlagen. Die Schlâge eins und drei klingen lânger, und die Schlâge zwei und vier sind viel kŢrzer.

Der Schlagzeuger
Die Aufgabe des Gitarristen ist es, durch die UnterstŢtzung des Schlagzeugs den Rhythmus voran zu treiben. Der Rhythmusgitarrist spielt sozusagen "Tonale Perkussion". Man muss sich das so vorstellen: der Gitarrist liefert Tonhŕhen zum Ride - Becken auf eins und drei, und zum Hi-Hat auf zwei und vier.

Der Gitarrist muss sich mit dem Hi-Hat des Schlagzeugs synchronisieren. Im Swing sind die Schlâge zwei und vier das Wesentliche. Das Hi-Hat (bzw. die Snare in lauten Passagen) betonen die zweiten und vierten Taktschlâge mehr als alles andere. Man swingt zusammen mit dem Schlagzeug, wenn die Gitarre mit der Hi-Hat synchronisiert ist, d.h., wenn die 'chit '- Anschlâge des Gitarristen genau in dem selben Moment kommen wie die Hi-Hat-Anschlâge des Schlagzeugers. Der 'chit' - Sound entsteht, wenn man sofort nach dem Saitenanschlag den Greifdruck der linken Hand lockert.

Die 'choo' - Anschlâge auf eins und drei sollten genau dem Ride - Becken folgen. Dies ist viel leichter, wenn man immer mit dem selben Schlagzeuger zusammenarbeitet. Jeder Drummer definiert sein Timing auf etwas unterschiedliche Weise, sodass man oft eine Reihe von Proben braucht, bis man mit einem neuen Schlagzeuger ein wirklich exaktes Timing erreicht.

Mit dem Drummer synchron, 'tight' zu spielen, ist schwieriger als man meinen sollte. Je besser der Schlagzeuger, desto leichter ist ein exaktes Timing zusammen mit dem Gitarristen, der Ţbrigens nie vergessen sollte, dass seine Hauptaufgabe in der UnterstŢtzung des Schlagzeugers besteht.

Die Schlâge zwei und vier, die "chits", sollten etwas stârker akzentuiert werden als die "choos" auf eins und drei. Selbst wenn die "chits" mit genau der selben Anschlagsstârke gespielt werden, haben sie wegen ihres kŢrzeren Ausklingens so etwas wie einen natŢrlichen Akzent. Das Abbrechen des Klangs erzeugt eine meist schon ausreichende Betonung.

Ich erzeuge den Akzent, indem ich das Plektrum bei zwei und vier etwas fester fasse, und fŢr alle vier Schlâge die selbe Arm- und Handbewegung beibehalte. Wenn das Plektrum fester gefasst wird, werden die Saiten etwas krâftiger angeschlagen und so wird eine etwas hŕhere Lautstârke erzeugt, eben der Akzent.

Lautstârke
Ein wichtiger Punkt im Freddie Green - Stil ist die Lautstârke: Wie laut soll es denn nun sein? Gerade laut genug, ist die Antwort. Das ist zwar nicht so sehr hilfreich, beschreibt die Situation aber absolut zutreffend. Das folgende sollte bei der Entscheidung Ţber die Lautstârke beachtet werden:

  1. Die Gitarre sollte nur ein bisschen leiser als das Schlagzeug sein.

  2. Der Gitarrenpart sollte eher gefŢhlt als gehŕrt werden.

  3. Wenn jemand im Publikum (ausgenommen zuhŕrende Gitarristen) tatsâchlich die Gitarre heraushŕrt, dann ist sie zu laut.

  4. Der Gitarrenpart ist meist als Hilfe fŢr die Mitspieler gedacht (um ihnen den Rhythmus zu verdeutlichen) und richtet sich weniger an die Zuhŕrer.

  5. Wenn die Band lauter wird, sollte der Gitarrist auch lauter werden, aber nie zu laut.

  6. Die Klangeigenschaften der Gitarre (und, falls vorhanden, des Verstârkers) bestimmen ebenfalls, wie laut denn nun gespielt werden sollte.

  7. Wenn man diesen Stil professionell spielt und einen Verstârker verwendet, sollte man sich ein gutes Volumen-Pedal zulegen und den FuĹ immer drauflassen. Das Pedal sollte zu einem Bestandteil des Instruments werden.

Klang
Bei den meisten Live-Auftritten erfordern die Umstânde den Einsatz eines Verstârkers. Aber der typische verstârkte Jazzgitarrenklang ist zu "fett", um Freddie Greens Begleitstil richtig zu spielen. Der Ţbliche dicke Sound einer Laustsprecherbox wird die Rhythmusgruppe verunsichern, weil er in Konflikt mit dem Spiel des Bassisten gerât.

Man bekommt mit vielen Gitarrentypen einen annâhernden Freddie Green - Ton hin, aber meiner Meinung nach hat eine Archtop - Gitarre den besten Klang. Ich spiele eine Gibson L5.

FŢr diesen Stil ist der Verstârker meiner Wahl ein 'Trace Elliott Acoustic', der einen sehr klaren Sound liefert. Mit dem eingebauten Equalizer senke ich die Mitten zwischen 330 Hz und 1.000 Hz etwas ab, so stŕrt die Gitarre nicht den Bassisten. Der Klang ist angenehm weich und immer noch klar genug, um sich gut durchzusetzen.

Bei der Bestimmung seines Klangs sollte man sich an den Begriff "Gestimmte (tonale) Perkussion" erinnern. Es geht stets darum, einen Klang zu liefern, der sich gut mit dem Schlagzeug vertrâgt, aber nicht den Bass Ţberlagert.

Voicings
Man sollte zu Beginn den voicings nicht zu viel Beachtung widmen. Es ist nicht notwendig, Akkorde genauso wie Freddie Green zu spielen, wenn man diesen Stil einsetzen will. Hier sind einige Richtlinien fŢr voicings:

  1. Dreistimmige Akkorde spielt man am besten auf den Saiten 6,4 und 3; vierstimmige auf 6,4,3 und 2.

  2. Barr»egriffe sind zu vermeiden, weil sie im Klangbild zu auffâllig sind.

  3. Reine Quinten auf den Saiten 6 und 5 wirken unsauber und kollidieren mit dem Bass.

  4. Man vermeide Akkorderweiterungen Ţber die Septime hinaus, auĹer es ist im leadsheet ausdrŢcklich verlangt.

  5. Bitte keine eigenen Erweiterungen, weil sie hŕchstwahrscheinlich mit dem Pianopart bzw. den Blâsern nicht zusammen passen.

Swing
Swingt wie verrŢckt.


ăbersetzung aus dem Englischen: Michael Daimler - Nov. 2001
Bearbeitung: Reiner Polz, Nov. 2001

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